Lehrveranstaltungen Lampe, Filmanalyse Dramaturgie 1: das Handlungsschema des „classical paradigm“

 
 

Als ein Orientierungsrahmen dramaturgischer Grundmuster fungiert das „classical paradigm“:

 




Diese Schematisierung fasst die klassischen Modelle und Begriffe der Dramenstruktur (nach Aristoteles, Gotthold Ephraim Lessing, Gustav Freytag usw.) und deren Adaptionen im „classical paradigm“ des Hollywood-Kinos der 1930er Jahre zusammen (z.B. Vale 1987 u. Field 1992): Basis der Handlungen sind Konflikte zwischen Protagonisten und Antagonisten, woraus die einzelnen Phasen in Form von (zumeist) fünf Akten und der (rote) Spannungsbogen resultieren, die sämtlich unsere Aufmerksamkeit steuern. Nach der Exposition (Akt 1) leitet das erregende Moment des Plot Point 1 zur Konfrontation und Kollision unterschiedlicher Intentionen oder Interessen über (Akt 2). Dieser erste Wendepunkt kann durch eine Handlung ausgelöst werden, und auf jeden Fall löst er Handlungen aus. Denn ein Drama lebt von Handlungen und spielt im Präsens. Handlungen haben ein Ziel, also ein Ende, und wenn es einen Anfang und ein Ende gibt, dann gibt es auch eine Mitte, wie Aristoteles in seiner „Poetik“ zusammenfasste – nur nicht in der üblichen Reihenfolge, wie modernere Dramaturgen anmerken würden. Die initiierten Handlungen steuern also auf ihren Höhepunkt zu (Akt 3), der möglichst nicht in der zeitlichen Mitte liegt (die Darstellung ist systematischen und grafischen Zwängen geschuldet).

Terminologisch „steigt“ die Handlung (blauer Pfeil) bis zu diesem Gipfel, danach „fällt“ sie, und auch die Spannung sinkt, da eine Lösung erkennbar wird (Akt 4). An diesem Punkt verändert der retardierende Plot Point 2 die Handlungs- und Spannungskurve ein letztes Mal und stellt die Lösung in Frage oder rückt sie in weite Ferne, bevor am Ende das Erregungsniveau wieder auf dem Nullpunkt der Exposition anlangt (Akt 5). Tragödie und Komödie funktionieren strukturell gleich, sie unterscheiden sich bekanntlich nur in der Lösung des glücklichen oder unglücklichen Endes, manchmal auch in der Mischung der Tragikomödie, die den Zuschauer mit einem lachenden und einem weinenden Auge zurücklässt.


Literaturhinweise:

Amerikanische Klassiker:

• Vale, Eugene: Die Technik des Drehbuchschreibens für Film und Fernsehen. München1. dt. Aufl. 1987 u.ö. (TR-Verlagsunion,1. Aufl.  1981 in den USA)


• Field, Syd: Das Handbuch zum Drehbuch: Übungen und Anleitungen zu einem guten Drehbuch. Frankfurt am Main 1993 (Zweitausendeins, 1. Aufl. 1984 in den USA)


• Vogler, Christopher: Die Odyssee des Drehbuchschreibers. Über die mythologischen Grundmuster des amerikanischen Erfolgskinos. Frankfurt am Main 2010 (Zweitausendeins, 1. Aufl. 1998 in USA)


Französisches Autorenkino:

Carrière, Jean-Claude / Bonitzer, Pascal: Praxis des Drehbuchschreibens. Berlin 2002 (Alexander Verlag, 1. Aufl. Frankreich 1991)


Alternatives:

Benke, Dagmar: Freistil. Dramaturgie für Fortgeschrittene und Experimentierfreudige. Bergisch Gladbach 2002 (Bastei Lübbe)